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KUNSTGESCHICHTE IM GLOBALEN INTERNETZEITALTER UNTERRICHTEN

Wie schwierig und problematisch es auch immer ist, Kunstgeschichte herunter zu brechen, so muß sich die Kunstgeschichtsschreibung für den Bereich schulischer Bildung doch von jeher mit diesem Problem konfrontiert sehen. Die Öffnung der Kunstgeschichte über den europäischen Tellerrand hinaus ist nur möglich, wenn es dazu gut aufgearbeitete Referenzliteratur gibt. Die Schulbücher für Bildnerische Erziehung versagen in dieser Sache noch immer,- nicht nur, was Frauen in der Kunst anbelangt, -auch außereuropäische Positionen sind nur sehr marginal vertreten. Im Wesentlichen zeigen die Schulbücher eine europäisch-patriarchale Kunstgeschichte.

Ein tröstlicher Aspekt an der Öffnung und der damit einhergehenden überwältigenden Größe des abzudeckenden Feldes besteht darin, dass kunstgeschichtliche Recherchen im Zeitalter internetbasierter Globalisierung an die Schüler*innen delegiert werden können. Sie alle besitzen ein Smartphone mit Internetzugang und haben Zugriff allein schon auf die aktuell rund 55 Millionen Wikipedia-Artikel. Schüler*innen mit der Recherche zu beauftragen ist daher die logische Konsequenz aus einer Öffnung dessen was als Kunst verhandelt wird und der Öffnung der didaktischen Sozialformen (Frontalvortrag > Referat, Gruppenarbeit usw.)

Da den SuS angesichts der endlosen Möglichkeiten, Suchanfragen einzugeben, schnell unklar werden mag, wo sie bei der Suche beginnen sollen, kommt der Lehrperson die Aufgabe zu, historische Strukturen zu liefern, die verständlich machen, wie, warum und wo künstlerisch/kulturelle Praxen in der Geschichte stattfinden. Zu diesem Zweck arbeite ich in letzter Zeit an Time-Charts, die einen historischen Überblick über gleichzeitig ablaufende kulturelle Entwicklungen und ihre Protagonist*innen bieten sollen. Hier sollten auch die Namen enthalten sein, die die SuS aufgreifen, so sie die von der Lehrperson geschilderten Zusammenhänge für ihren eigenen Kontext interessant finden. Das mündet schließlich in eine reduzierte Form der Informationsaufbereitung, die man auch als Namedropping bezeichnen könnte.

Ein Kunstgeschichteunterricht mit globalem Anspruch könnte der Lehrperson und den Schüler*innen unterschiedliche Aufgaben abverlangen:

  • Die Lehrperson, die soziale, kulturelle, historische Verknüpfungen und Vergleiche anzeigt.

  • Die SuS, die ihr recherchiertes, vertieftes Spezialwissen zu den Einzelpositionen liefern.

Eingebettet in eine schemen- und überblickshafte Erzählung der Lehrperson, veranschlagen die Schüler*innen ihre Vertiefungen zu den jeweiligen Positionen. Neben den Time Charts ist es auch möglich, eine Vorauswahl anzubieten. Dies habe ich in einem Künstler_Innenpool mit 100 Positionen probiert.

Die Schüler*innen können hier aus 100 Positionen eine wählen, zu welcher sie dann ihre Recherche entwickeln. So entsteht je nach den speziellen Vorlieben der Klassen eine Kunstgeschichte mit eigenen Protagonist*innen. Die Lehrperson sollte dazu idealerweise erklären können, warum zb. die Tradition der öffentlichen Wandmalerei gerade in Mexiko in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so erfolgreich wurde, warum Carmen Herreras Bildsprache so anders ist als Frida Kahlos, und warum den wenigsten der Schüler*innen Takako Saito ein Begriff sein wird, von Yoko Ono hingegen schon die meisten gehört haben. Es ist naheliegend, dass wer so lehren möchte, immer noch ein sehr großes kunstgeschichtliches Allgemeinwissen braucht. Vielleicht reicht es aber auch, den Recherchen der Schüler*innen kleine Sittenbilder anheimzustellen: So kann die Lehrperson, um die Zeit Angelika Kauffmanns zu beschreiben, zb. ein Lied von Mozart abspielen, das damals gerade “slay” gewesen sein mag, ein Korsett könnte gezeigt und die Schönheitsvorstellungen der damaligen Zeit besprochen werden, ein Zitat Goethes könnte rezitiert werden. Schließlich könnte die Lehrperson darauf setzen, dass die Schüler*innen bereits die französische Revolution durchgenommen haben, und mit den Schüler*innen erwägen, welche Konsequenzen dieses Ereignis für Kauffmann gehabt haben könnte. Dann könnte man das vergleichen mit dem China jener Zeit, und zb. diskutieren, wie die unterschiedlichen Formensprachen und künstlerischen Artikulationsweisen zu erklären sein könnten.