Die besten Vorlesungen, die ich je besucht habe, waren Kunstgeschichtevorlesungen, beginnend mit meiner Oberstufenlehrerin, der “Frau Porta”. Dann war ich von Vortragenden wie Daniela Hammer-Tugendhat begeistert, von Sabeth Buchmann, Diedrich Diederichsen, Elke Krasny, Elisabeth Priedl, Elisabeth von Samsonov und Konrad Paul Liessmann inspiriert. Sie sprachen über Kunst, und es war jedesmal ein neuer Aspekt dabei, eine neue Perspektive, die vom speziellen persönlichen Stil der Vortragenden gefärbt war. Auch die Studierenden haben mich nachhaltig beeindruckt. Das erste Kunstgeschichteseminar meines Studiums, 2009 bei Sabeth Buchmann, wurde von Studierenden besucht, die in Sätzen über Kunst sprachen, dass man davon verliebt wird: Sätze, unvorbereitet, jedoch von solcher Klarheit und an messerscharfer Intellektualität erhaben, schüchterten mich damals so ein, dass ich zwei Studienjahre brauchte, um mich selbst stammelnd in die Diskussionsrunden einzubringen.
Diese Personen und ihre Art, mutig, öffentlich und laut über Kunst nachzudenken, weckten in mir selbst den Wunsch, mutig, öffentlich und laut über Kunst nachzudenken. Als Gymnasiallehrer bin ich nicht in der Situation öffentlich laut zu denken, wohl aber laut und mutig und zusammen mit anderen. So machte ich es gestern in Vorbereitung auf einen Lehrausgang zur Christine König Galerie, in der uns Frau König persönlich etwas zu Joseph Kosuth erzählen wird. Nachdem wir nun erst bzw. endlich, beim 19. Jahrhundert angekommen waren, fiel mir die Aufgabe zu, innerhalb einer Stunde den Bogen vom Jugendstil zur Konzeptkunst zu spannen. Vom Wochenende am Fluss entspannt, gelang es mir, sehr frei und fließend zu sprechen. Ich schlug Hacken vom letzten Referat zu Klimts Bild „Adele Bloch Bauer 1“ zu unserem Besuch bei Gerlind Zeilner und Anna Paul, zum Looshaus am Michaelerplatz, zum Salon der Unabhängigen, zu Malewitschs schwarzem Quadrat, schließlich zu Marcel Duchamps Pissoir und zur abschließenden Überlegung, dass konzeptuelle Richtungen das Monumentale, Überwältigende, Achtungheischende der Vorkriegskunst zugunsten des Begrifflichen und des Konzeptuellen verabschiedet hatten. Auch wies ich darauf hin, dass sich das Kunstverständnis verändert hatte, von einem der Komplizenschaft mit der Aristokratie zu einem der Subversion und der Hinterfragung von konventionellen Verhältnissen. In sehr schnellen Schritten kam ich zum Tabubruch als typischer Form moderner Avantgarden.
Zwischendurch fragte ich, ob diese Zusammenhänge für die SuS überhaupt interessant sind, worauf diese deutliche Zustimmung signalisierten. Die Freude über das entgegengebrachte Interesse und das Bedürfnis mich besser konzentrieren zu können, brachte mich spontan dazu, während des Sprechens die Augen zu schließen. Ich kann das nun, da ich es erlebt und empfunden habe, weiter empfehlen. Angesehen zu werden, während ich selbst nicht sehe, und dabei so frei zu sprechen ist ein seltsames jedoch seltsam bestärkendes Erlebnis.