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Nachhaltigkeit und die menschliche Kleinskulptur

Das Hauptgeschäft bildender Kunst läuft über die symbolische Ebene. Auch Formalismen werden meist in ihrem Bezug auf ihre Wirkung, ihre Bedeutung und ihren Einfluss auf den Inhalt abgeklopft. Deshalb wird Nachhaltigkeit in der Kunst selten durch die materielle Basis der Bildwerke thematisiert. Nachhaltigkeitsdebatten werden folglich auf aufwendig produzierten Kunststoffplanen, anhand von Zeichnungen auf chlorgebleichtem Papier oder mittels energieaufwendiger Skulpturen etc. geführt. Immer mehr stellt sich die Glaubwürdigkeit einer solchen Debatte, die die Bedingungen ihrer eigenen materiellen Basis nicht mitdenkt, und künstlerische Positionen die sie mit denken, werden relevanter. So empfinde ich es bei Abdulrazaq Awofeso, dessen Arbeit ich diesen Sommer in der Birminghamer Ikon Gallery sehen konnte. (Dank an Martha May Ronson, deren FB Post mich zu dieser Reise bewogen hat).

Awofeso nutzt abgenutzte Paletten, um daraus Skulpturen zu fertigen. Er bemalt sie dann mit Acrylfarbe und dabei kommen solche Figuren heraus:

Abdulrazaq Awofeso, Skothane 5, 2022, pallet wood, acrylic paint, 23.2 x 17.8 x 14 cm

Abdulrazaq Awofeso, Skothane 4, 2022, pallet wood, acrylic paint, 25.5 x 17.8 x 14 cm

Abdulrazaq Awofeso, Skothane (Nr. unbekannt), 2022, pallet wood, acrylic paint, (Höhe nicht eruierbar)

Abdulrazaq Awofeso, Skothane, 2022, pallet wood, acrylic paint, 22 x 17.8 x 14 cm

Das Awofeso seine Figuren mit Acrylfarbe bemalt, und Nachhaltigkeit im Begleittext zur Arbeit keine Erwähnung finden, zeigt zwar, dass dieser Aspekt für den Künstler offensichtlich nicht vorrangig war. Auch die Schlichtheit der Figuren und ihr Wert für kunstpädagogische Zugänge in den sonst oft einschüchternden Bereich der Skulptur wird an keiner Stelle hervorgehoben. Doch an den Figuren wird nachvollziehbar, das eine gelungene Skulptur aus nicht viel mehr bestehen muss als einer gefühlvollen Komposition von Farben und Formen. Die Figuren eignen sich daher sehr gut zu einer Doppelstunde lustvollen Zusammensetzens von Holzstücken aus der Restholzkiste mit der Aufgabe, drei Skulpturen anzufertigen: Ein Portrait eines Klassenkollegen/ einer Klassenkollegin, ein Selbstportrait und eine frei erfundene Figur. Hierbei betone ich, dass es nicht darum gehen kann, Gesichtszüge realistisch nachzustellen, sondern Mode, Accessoirs und spezifische Attribute auf eine Figur verweisen können. Gerade dabei wieder auf eine abstrakte Ebene zu kommen, ist sowohl erleichternd als auch die Möglichkeit, in ein lustvollen Spiel der Bedeutung zu kommen und ihrem Zusammenhang mit der Gestalt.

Abschließend eine kleine Gegenüberstellung mit den Figuren Leo Mayers.

Abb.1 Leo Mayer, Bauchtaschl, Height 45 cm, Oil on Ceramics, 2021; aus der Serie “Hütteldorferstraße”

Leo Mayer, Death on Sylt, Height 58 cm, Oil on Ceramics, 2019; aus der Serie “Law and Order”

Leo Mayer, The Professionals, Height 66 cm, Oil on Ceramics, 2019; aus der Serie “Law and Order”

Leo Mayer, Kutte, Height 45 cm, Oil on Ceramics, 2021; aus der Serie “Trnitá Brno

Leos Figuren (ich kenne ihn beim Vornamen) sind aus Keramik, mit Ölfarbe bemalt. Ton, der zuhauf in der Natur vorkommt, kann wohl als nachhaltig gelten, wenn er auch mit hohem Energieaufwand gebrannt werden muss.

Obwohl sie als Kleinskulpturen, die menschlich anmuten, wohl in die gleiche ästhetisch Kategorie fallen wie die Arbeiten von Awofeso, deuten Leos Skulpturen auf andere kunstpädagogische Möglichkeiten hin. So sehe ich in den Figuren Leos oft eine Hommage an den österreichischen Proletencharme, während Awofesos Figuren in ihrer Farbigkeit u.a. auf den kulturellen Raum congolesischer Modetraditionen verweisen. Die beiden Zugänge öffnen also unterschiedliche Räume, die ihre eigene Zeit einfordern. Die Unterschiedlichkeit der beiden Formensprachen und inaltlicher Ebenen kann aber ebenso auch Anlass sein, die beiden gemeinsam zu diskutieren, um so über kulturelle und identitäre Unterschiede eine artikulierbare Sprache zu finden. Allerdings vermisse ich bei beiden Positionen noch einen dezidiert feministischen kleinskulpturalen Zugang. Einen solchen möchte ich hier nur durch einige weiterführende Recherchetipps ergänzen. Zu nennen sind da etwa Claudette Schreuders, Tecla Tofano, und Beatrice Wood.

Claudette Schreuders, In the Bedroom | 2018 | Jelutong wood, enamel and oil paint | 20 x 61 x 31cm

Beatrice Wood, (Datum und Titel nicht eruierbar)

Tecla Tofano, La Mujer en la Historia, 1975