blog

Kommt Nichts von Nichts?

Wenn jemand sagt “Von nichts kommt nichts”, dann irrt er, gibt es doch nicht soetwas wie ‚Nichts‘. Wer dieses Wort unbedacht in den Mund nimmt, sollte sich also fragen, was er eigentlich sagen wollte.

Ernst Jandl hat das in “Menschenfleiß” sehr gut auf den Punkt gebracht:

ein faulsein
ist nicht lesen kein buch
ist nicht lesen keine zeitung
ist überhaupt nicht kein lesen

ein faulsein
ist nicht lernen kein lesen und schreiben
ist nicht lernen kein rechnen
ist überhaupt nicht kein lernen

ein faulsein
ist nicht rühren keinen finger
ist nicht tun keinen handgriff
ist überhaupt nicht kein arbeiten

ein faulsein
solang mund geht auf und zu
solang luft geht aus und ein
ist überhaupt nicht.

Ich sag mal, da gibt es einen Schüler, der so gar nichts mit Kunst zu tun hat und haben will. Er gamed lieber auf seinem Smartphone. Als Lehrer habe ich den Auftrag, dem Schüler beizubringen, was schemenhaft im Lehrplan skizziert wird, als auch ihn auf die Matura vorzubereiten. Wir haben also einen Interessenskonflikt. Der Schüler hat die Prämisse, seiner Vorliebe nachzugehen. Er ist intrinsisch motiviert. Ich habe die Prämisse, den Schüler für die Materie zu begeistern. Die mir aufgetragene Prämisse überzeugt mich nicht gänzlich, denn das ist der alte Hut: Lehrende verlehren den Kindern die intrinsische Motivation, und die Artikulation eines eigenen Willens.

Unsere Prämissen treffen sich in der Schule an einem Punkt, der eine Krise auslöst. Die kulminiert zb. in einer schlechten Note im Zeugnis. Zurückzukommen aufs Nichts Tun, so lässt sich nicht sagen- der Schüler hätte nicht gelernt, von Nichts kommt eben nun mal Nichts.

Der Schüler hat nämlich gelernt- er hat nur das, in den Augen der Institution Falsche gelernt, zumal Bildnerischer Erziehung der Rang eines zu lernenden Weltausschnitts zugeordnet wird, und das Gamen höchstens als eine Unterkategorie in den neuen Bildmedien oder in der Informatik vorkommt.

Der Schüler kann jetzt die Schule ‚schmeißen‘, und zb. an Gaming Kontests teilnehmen, damit unterhalten einige sogar ihren Lebensunterhalt. Hat die Schule in so einem Lebenskonzept versagt? Oder ist es ihr zu verdanken, dass der Schüler seiner Leidenschaft zu einem höheren Level verhelfen konnte?

Das lässt sich mit Blick auf den Umgang mit jenen Gebieten beantworten, denen schlechthin Nichtigkeitsstatus zugeschrieben wird.