Dienstag, 14.12.2021 /4.
Heute kam ich mit dem Rad in die Schule. Um dreiviertel 8 war es meine Aufgabe, die SuS in Abständen ins Schulhaus zu lassen. Kurz davor hatte ich meinen Schlüssel verlegt. Das ist mir bisher zwei Mal passiert. Einmal im Ballsportgymnasium und nun hier. Schließlich stellte sich, kurz vor Unterrichtsbeginn heraus, das eine der Putzfrauen den Schlüssel im Lift entdeckte und ihn einsteckte. Gerade wegen dieser Hilfsbereitschaft konnte der Schlüssel also erst so spät gefunden werden.
Die SuS, eine Klasse von 26 Kindern der 4. Klasse Unterstufe, waren so wie sie es immer sind, sehr schnell ruhig und hörten gut zu, was ich zu sagen hatte. Und, außergewöhnlich, wie diese Klasse ist, folgten meinen Aufforderungen genau und sofort die Handlungen zu welchen ich aufgerufen hatte. Ich werde von dieser Klasse offenbar fast ausnahmslos als organisatorische Autorität akzeptiert, und darüber hinaus scheinen die SuS den veranschlagten Aufforderungen auch gerne nachzukommen.
Wir platzieren also 9 Tische zu einem großen, indem ein Tisch ganz von anderen umrundet war, auf den sich abwechselnd SuS setzten. Dazu teilte ich DinA3 Blätter und dicke Holzkohle aus. Die Aufgabe, das Modell abzuzeichnen, sollte durch die Verwendung der groben Kohle Detailflüchtlinge zu einer rigoroseren Strichführung verleiten.
Während der Zeichenaufgabe moderierte ich eine Diskussion zu Gestalt und Material unseres nächsten Projekts. Die große Mehrheit hatte sich zuletzt für meinen Vorschlag entschieden, ein großes Objekt zu bauen, und dieses von A nach B durch die Stadt zu transportieren. Diese Idee war mir in Anlehnung an “Le Transport”, 1960 von Jean Tinguely gekommen, ich hatte mich mit der Idee bereits in meiner Diplomarbeit auseinandergesetzt. Bereits letztes Mal waren einige Vorschläge gekommen, so bspw. Drag Queen, Riesige Gesichtsmerkmale, Pyramide, Obama, Große Kleidung (Schuhe etc.), Gegenstände (Uhu Stick etc.), Robbe, Großes Tier, Artur nackt, Burger, Hai, Legostein, Maske.
Diesmal kamen hauptsächlich zwei Vorschläge- Wal, und Legostein. Als dritter eher scherzhaft gemeinter, wurde der Vorschlag erneuert, eine Skulptur von Artur zu bauen, einem der SuS dieser Klasse. Eine Abstimmung fiel für den Wal aus. Hier verhielt ich mich etwas manipulativ, indem ich die Vorschläge nicht erst nochmal vorlas, sondern direkt mit der Option Wal die Abstimmung durchführte. Der Wal ist eine tolle Wahl. Ich kann auf den Wal aus der Diplomarbeit von Rapahela Riepl verweisen, auf die Walgeräusche in der Installation “Kaorle am Karlsplatz” von Margot Pilz, und Helge Schneider meinte mal, der Wal wäre das Wappentier von Österreich. Zu Margot Pilz habe ich eine Ö1 Sendung herunter geladen, die ich den SuS zeigen kann, und für den Wal Riepls könnte ich eventuell ein Interview mit der Künstlerin arrangieren.
Die Wahl zum Wal und der geplante Weg des Wals von der Schule zum MQ und zurück erinnert mich noch an eine andere Arbeit der Gruppe ‚Art collective Liberate Tate‘ mit dem Titel ‚The Gift‘, in welcher die beteiligten Kunst-Aktivist_Innen den Flügel eines Windrads in die Turbin Hall der Tate Modern in London trugen. Sie wollten damit auf die fragwürdigen Initiatoren und Finanziers des Museums hinweisen. Auch hier handelt es sich um die Thematik der Nachhaltigkeit und sie wurde ebenfalls per Fuß in den musealen Bereich getragen. Es bleibt für kommendes Jahr die Aufgabe, “Le Transport”, “The Gift”, “Kaorle am Karlsplatz”, Hans Schabus Müll-Arbeit und Raphaela Riepls Wal-Arbeit in eine Bildschirmpräsentation zu verpacken und als Neujahrsinput vorzustellen.
Der zweite Aspekt unserer Besprechung beinhaltete das Material, aus welchem unser Wal gebaut werden sollte. Hier kamen in kurzer Folge zwei gute Vorschläge, die ich einfach als verbindlich übernahm, ohne weiter abzustimmen.
1. Der Wal sollte aus Müll gebaut werden,- Masken, Corona-Testkit-Abfall, Plastikflaschen.
2. Der Müll soll sich bloß aus dem Müll der Klasse zusammensetzen.
Daraufhin haben wir vereinbart, das die SuS den Klassenmüll künftig beiseite geben, bevor das Putzpersonal die Säcke entleert. Es ist abzuwarten, ob dieser etwas ungewöhnliche Auftrag so durchgeführt werden wird. Wenn, dann haben die SuS bereits etwas über den gesellschaftlichen Grenzbereich erfahren, in dem sich Kunst als Normenbruch aufhält. (zu der Wahl, den eigenen Müll zu verwenden, fällt mir Hans Schabus’ Arbeit ein, in welcher er ein Jahr lang den Müll seines (Familien-)haushalts gesammelt, gewaschen, geordnet und schließlich ausgestellt hat.
In der zweiten Hälfte der Einheit performten wir wie in der letzten Stunde besprochen, zwei Mannequin Challenges. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, dass sich ausgehend von einer amerikanischen Schule, wahrscheinlich 2016 im Internet verbreitet hat. Die SuS verharren dabei regungslos in einer vermeintlichen Bewegung, und das ganze wird von einer sich um sie bewegenden Kamera gefilmt. Wir machten zwei Challenges,- eine thematische mit dem Thema “Sinkendes Schiff”, welche durch die Verkörperung von Rose und Jack zu einer Titanic-Reinszenierung wurde. Auch deshalb wurde schließlich die Musik aus dem Titelsong dazu abgespielt. Für die restlichen SuS gab es eine lose Rollenverteilung in KapitänIn, Steuerfrau/mann, Matros_Innen, Ertrinkende, und Herabstürzende. Wichtig für die Authentizität war außerdem meine Aufforderung, alle sollten sich jeweilig der dramatischen Situation bewusst sein, in welcher wir uns befinden, denn das könnte man der Gestik und Mimik ablesen.
Die zweite Challenge zersplitterte sich in verschiedene kleine Szenen. Wieder wurde von einigen die Tischkonstruktion verwendet, und natürlich kam auch eine Schlägerei-Inszenierung vor.
Das letztendliche Screening der Ergebnisse wurde sehr interessiert wahrgenommen, Emeli filmte dabei sogar mit. Das Screening als Abschluss der Einheit wirkte auch von der Vielfalt der eingesetzten Medien, von der körperlichen Dramaturgie eines Hand-Auge Übungen beim Zeichnen zur Ganzkörperperformance bis zum bloßen Kinoerlebnis wie ein gelungenes Ende dieser Einheit. Diese mit Unsicherheit erwartete und mit vielen Fragezeichen ausgestattete Stundenplanung erwies sich so an ihrem Ende als eine meiner bisher erfolgreichsten Stunden an dieser Schule.