Montag, 20.12.2021 /6.
Angefangen hat es mit einer Bitte der 6. Klasse, mit meiner Begleitung die Wand ihrer Klasse zu bemalen. Ich verwarf also die Pläne die ich mir für dieses Semester ausgedacht hatte, und machte die Wandmalerei zum Semesterthema. Zunächst einmal gab allerdings die Botschaft der Rektorin, dass nur vier schon vorbestimmte pastellige Farbtöne die Bedingung für so eine Wandmalerei wären, und damit veränderten sich die Rahmenbedingungen in der Art, dass wir von der Bemalung der Wand Abstand nahmen, und uns entschieden, ein großes Bild zu malen, das an der Wand angebracht würde.
Ich teilte das Projekt in drei Phasen ein.
Recherche
Komposition und Entwurf
Umsetzung
Die Recherche fand vor allem als Bildschirmvortrag meinerseits statt, und umfasste Klassiker wie “Die Anatomie des Dr. Tulp”, “Das Schiff der Medusa” von Delacroix, die “Schule von Athen” von Raphael, und “das letzte Abendmahl” von Leonardo da Vinci. In den kommenden Einheiten zeigte ich denn auch Bilder wie “Der Weberzug” von Käthe Kollwitz, “Lets walk togheter” von Charles White. Mit “The creation of God” von Harmonia Rosales zeigte ich die Möglichkeiten der Appropriation, und schlug sie als Anwendung für unser Projekt vor. Mit Beispielen der Muralisten Jose Clemente Orozco “Prometeo” und Diego Riveras “Origem da Agua da Vida” zeigte ich die Möglichkeit einer ortsspezifischen Komposition. Auch inhaltlich könnten wir, so mein Vorschlag mit Nychos “Dissection of Sigmund Freud” und “Ambivalenz” von Katharina Löffelmann, Mariella Lehner und Linda Steiner, ortsspezifisch sein.
Die Recherche hätte natürlich auch zu einer Aufgabe der SuS werden können, aber da wir nur eine Wochenstunde zur Verfügung haben, entschied ich mich zu einem gestrafften Vorgehen. Das hatte zur Auswirkung, dass keine richtige klasseninterne Diskussion über Vorschläge entstand. Die eine Einheit, in welcher die SuS selbst Vorschläge und Ideen skizzieren sollten, ging eher halbherzig vonstatten. Hier anzusetzen, war im Nachhinein betrachtet, zu spät. Ich hätte schon ganz am Anfang eine intensive Vorstellungsrunde machen müssen, in welcher die Stärken, Wünsche, Bedürfnisse und womöglich Ängste der SuS hätte festgehalten werden sollen. Aus einer solchen Vorstellungsrunde wäre es möglich gewesen, die einzelnen Persönlichkeiten stärker hervortreten zu lassen, und eine Polis wäre möglich gewesen, in der die Unterschiede aufeinandertreffen. Von Anfang an hatte mir die Tatsache Stress gemacht, dass wir nur die Hälfte der Zeit haben, die ich für andere Klassen aufwenden kann. So mussten die offensichtlich starken und spannenden Charaktere in dieser Klasse für den Zeitraum des Projektes mehr dem Kollektiv weichen, als es mein Wunsch gewesen war.
Wir (bzw. ich) entschieden uns schließlich zu einem Gruppenportrait, nach der losen Inspiration am Bild “Resurgence of the people” von Kent Monkman. War bislang beim ‚Wir‘ von einer gelenkten Demokratie die Rede, so versuchte ich schrittweise, die Rolle der Leitung zugunsten der Rolle einer Moderation abzubauen, und setzte zunehmend auf Abstimmungen. Dies gelang immer mehr, und ist in den letzten beiden Stunden wirklich zur Entfaltung gelangt, als ganz ohne mein Zutun von einer Schülerin eine Abstimmung darüber gemacht wurde, ob die Gesichter des Gruppenportraits einfärbig und ganz ohne Gesichtsmerkmale belassen werden sollten. Die Abstimmung war erfolgreich im Sinn der Frage. In der darauffolgenden Einheit, d.h. an diesem Montag wurde diese Abstimmung durch eine neuerliche Abstimmung von der Seite der SuS rückgängig gemacht. Es spricht viel dafür, dass die Lust und das Gefühl der Selbstwirksamkeit so weit gediehen sind, dass eine demokratische Grundstimmung in unserem Klassenraum Einzug finden konnte.
Gleich diesen Wahlen setzten sich die meisten Entscheidungen so durch, wie ich sie getroffen hatte. In der Weise hatten wir schließlich ein Portrait in der Staffelung nach Raphaels “Schule von Athen” inszeniert, indem wir uns auf den Stufen vor dem Haus des Meeres platzierten. Dies war unser Behelfs-Tableau Vivant, abgesprochenes Vorgehen,- abgeschaut von der Methode Kent Monkmans als auch Xenia Hausners. Die SuS hatten sich zuvor selbst gezeichnet, und ihre möglichst dynamisierte Figur ausgeschnitten. Die 26 Figuren wurden dann zusammengestellt, und eine Staffelung wurde gefunden. In der Fotonachstellung kam es dann aber doch zu Änderungen, denn es tauchten Lücken auf, die zuvor nicht da gewesen waren, andere SuS, die in den vorigen Einheiten gefehlt hatten, wussten nun nicht, wo und wie sie sich hinstellen sollten, und wählten klischeehafte und äußerst gestellt wirkende Posen. In der Praxis zeigte sich erneut, das mein erfahrungsbasiertes Eingreifen als Lehrperson wichtig für eine gelungene Komposition war. Auch nachträglich kam es zu Änderung, wiederum, weil SuS in den vorigen Einheiten gefehlt hatten und es nun erneut an mir war, sie so zu stellen und mit Photoshop hinein zu retuschieren, wie ich persönlich es für gut hielt. Außerdem wurde dem Bild ein Pferd hinzugefügt.
Nachdem wir das Photoshooting beendet hatten, druckte ich 26 SW Kopien des besten Photos aus, und verteilte sie unter den SuS. Sie sollten nun eine Farbkomposition finden, die dem ganzen ein farbliches Gleichgewicht verleihen würde. Die SuS waren in dieser Aufgabe sehr zwiegespalten, die Entscheidungsfindung dauerte bis zu diesem Montag an. Ich richtete zum Zweck der Entscheidungsfindung auch eine Teams Gruppe ein,- jedoch zeigte sich, dass bei vielen der Zugang nicht funktioniert, und viele manche Bilder einfach nicht sehen können. Das es an technischen Fehlern liegt, kam mir nicht in den Sinn und ich ärgerte mich zeitweise über die fehlende Beteiligung der SuS. Zunehmend kam es auch im Unterricht vor, das SuS auf ihren Handys Dinge machten, die mit dem Projekt gar nichts zu tun hatten, und ich dann meiner Wut darüber ganz offen Ausdruck verlieh. Das Projekt fordert mich emotional stärker als andere Projekte mit kürzeren Zeitspannen und weniger SuS.
Mittlerweile ist die farbliche Gesamkomposition den individuellen Wünschen der Abgebildeten gewichen, -diesmal ganz die Entscheidung der Klasse. Die Malenden sollen sich mit den Abgebildeten über ihre Farbwünsche absprechen. Dabei sind beide an eine vorgegebene Farbpalette gebunden, die durch starke Mitbestimmung der SuS erstellt wurde.
Wir sind nun gerade dabei die letzten Linien auf unseren Raster zu übertragen, und einige haben begonnen auf dem Acrylpapier mit Farbe zu arbeiten. So wie es zur Zeit aussieht, könnte das trotz aller bisheriger Schwierigkeiten ein tolles Bild werden. So sagte es auch N. zum Abschluss dieser Stunde, sie könnte sich mittlerweile vorstellen, dass das Bild nach Fertigstellung gut aussehen wird.
Die SuS sind angehalten, sich so hinzusetzen, dass das Nachbarstück ihres Ausschnittes auch nebeneinander liegen. So kann man sich besser über Farben von bspw. Kleidungsstücken absprechen, die über die einzelnen Abschnitte hinaus reichen.