Großplastik
Menschelnde Großplastik
Die Großplastiken habe ich mit einer 14-köpfigen Gruppe von 13-Jährigen gemacht. Drei Gruppen konkurrierten miteinander um die Entwicklung der am Natürlichsten anmutenden Menschennachbildung.
Die Herausforderung bestand vorderhand in drei Bereichen: Dem Abgießen der Hände, dem Abnehmen des Gesichts und im Bau eines Körpergerüstes mit beweglichen Gliedmaßen. Das Projekt dauerte entsprechend seiner Größe knapp drei Monate, beanspruchte also 12 Doppelstunden. In einer strukturierteren Fassung ließe es sich aber wohl auch in 9 bis 10 Doppelstunden durchziehen.
Am Ende des Projekts sollten die Jugendlichen über Abgusstechniken Bescheid wissen, ein Verständnis für Verbindungstechniken entwickelt haben, Proportions,- und Körpermaße besser einzuschätzen gelernt haben, und in der Lage sein, komplexe Projekte mit verschiedenen Problemstellungen durchzuführen.
Eine Unterrichtsplanung gibt es hier als pdf downloadbar > Menschelnde Großplastik
Abgießen der Hände
Zum Abguss der Hände arbeiteten wir mit Alginat (erhältlich bei Gerstaecker oder Bösner).
Dieses aus Algen bestehende Dickungsmittel ist hautfreundlich und natürlich abbaubar. Es wird in einem Verhältnis von 1 zu 5 Teilen, mit Wasser (am Besten in einem Extra Bottich) verquirlt.
Um möglichst wenig vom kostenintensiven Alginat zu verbrauchen, ist es notwendig, ein Gefäß in einer Dimension zu finden, in welcher die abzuformende Hand nicht an den Gefäßwänden ankommt, zugleich aber auch nicht zu viel Raum übrig bleibt.
Es macht Sinn, für das Abformen der Hände SuS auszuwählen, die ihre Hand realistischerweise 10 Minuten lang ruhig halten können. Ist der Alginat angerührt und im Gefäß, sollen sich die “Handmodelle” in ein gemütliches Eck des Klassenzimmers setzen, in dem sie nicht von anderen SuS gestört werden. Außerdem ist es sinnvoll, die verbleibende freie Hand mit Ablenkung zu füllen, also bspw. mittels der Erlaubnis, für diese Wartezeit das Handy benutzen zu dürfen. Auf diese Weise tritt die Verpflichtung der Unbeweglichkeit der Hand nicht in den Vordergrund.
Außerdem sollten die Gefäßwände so weit dehnbar oder aufschneidbar sein, dass man die gehärtete Masse problemlos herausholen kann. Dafür eignet sich zb. ein großes Tetrapack. (Allerdings mussten wir pro Hand ein Tetrapack opfern. Das Vorgehen ist also noch nicht ideal.)
Das Anrichten von Gips kann höchst professionell erfolgen, aber auch auf sehr niederschwelligem Niveau und einfachen Mitteln. So verfügen wir über keinen Rüttler, der Luftblasen aus dem frisch angerichteten Gips filtert, und kein Zuckersieb, welches den Gips gleichmäßiger und feiner ins Wasser gleiten lässt. Stattdessen schütten wir den Gips einfach mit rigoros zitternder Hand gleichmäßig in ein großes Gefäß, bis er sich leicht über die Wasseroberfläche erhebt. (Das Bild dazu ist immer das einer “Mondlandschaft”. Wenngleich die Wenigsten wirklich wissen, wie so eine aussieht, merkt man sich den visuellen Eindruck, -als Mondlandschaft abgespeichert.)
Ergibt sich also der Eindruck so einer Mondlandschaft, rühren wir einige wenige Male mit einem Stab um, und versuchen dabei, möglichst keine Luft hinein zu quirlen. Dann rütteln die SuS das Gefäß und schöpfen die sich an der Oberfläche absetzenden Blasen ab. Der Gips wird nun in die Negativform geschüttet, wobei zuerst ein kleine Menge Gips als “Vorhut” die Innenwand der Form ausspült bzw. abdeckt, -erneut um möglichst viele Luftblasen zu verhindern. Das ganze Objekt ist dabei vorsichtig in alle möglichen Richtungen zu drehen. Schließlich kommt der restliche Gips hinein. Abschließend wird der Kopf mitsamt der Hälfte einer Holzschraube im Hand-Rumpf versenkt. Sinnvoll ist es dabei, bereits zuvor, einen Draht mittig um das obere Gewindeende zu drehen, und die beiden Drahtenden an den Gefäßrändern zu befestigen, damit die Schraube nicht im noch sämigen Gips untergeht.
2. Abnehmen der Gesichter
Für das Abnehmen der Gesichter verwendeten wir Gipsbinden. Diese gibt es zb. im Gerstäcker zu kaufen. Dazu braucht es Vaseline (zb. im Drogeriemarkt), eine Duschhaube und eine Abdeckfolie für den Bereich abwärts des Halses.
Die Binden werden in etwa 10 bis 15 cm dicke Streifen geschnitten. Das Gesicht des/r erneut idealerweise entspannten, ruhigen SuS wird großzügig mit Vaseline betupft. Wichtig sind im Besonderen die Augenbrauen und Wimpern. Es sollte aber der gesamte Bereich, der später begipst wird, mit Vaseline bedeckt sein.
Wichtig ist es, mit dem/der SuS einen Fingerzeig zu bestimmen, die ihr/ihm erlaubt auszudrücken, dass sie keine Luft bekommt, sie Panik bekommt, etc. Die Lehrperson sollte auch darauf hin weisen, dass der Vorgang durch den Schüler/die Schülerin selbst jederzeit durchs Herunterziehen der Gipsbinden abgebrochen werden kann.
Die Nasenlöcher müssen natürlich frei bleiben, aber auf dem schmalen Grat dazwischen sollte ebenfalls ein Gipsstreifen angelegt werden. Der Randbereich der Maske sollte doppelt begipst werden, weil dieser Bereich besonders empfindlich ist. Während der anschließenden 10minütigen Härtungszeit (Wecker stellen!) ist es gut, wenn eine Vertrauensperson des SuS auf sie/ihn “aufpasst”, und ihr/ihm zur Ablenkung etwas erzählt. Dann kann die Maske vorsichtig entfernt werden.
Auch die offen gebliebenen Nasenlöcher werden nun, nach dem Abnehmen der Maske, nachträglich begipst.
Die vollends trockenen Gipsformen (bis zur nächsten Einheit warten!) werden nun abgegossen. Eine schlechte Entscheidung war es hierbei, das Positiv mit Gips abzugießen, weil der gehärtete Gips schwer nachzubearbeiten ist. Als deutlich besser hat sich erwiesen, weichen Ton in einer großzügigen Schicht in die Maske zu drücken. Durch die Schwindung infolge des Wasserverlustes löste sich der Ton nach wenigen Stunden von selbst vom Gips-Negativ und kann im lederharten Zustand gut nachbehandelt werden. Hier eignet sich das Abstreichen mit einem nassen Schwamm. Übrig gebliebene Ritzen und offene Stellen können mit frischem Ton bespachtelt werden. Es entsteht, wenn auch nicht in der Präzesion eines Abgusses mit Alginat, doch eine zufriedenstellende Nachbildung des Gesichts.
Noch im lederharten Zustand sollten außerdem zwei bis vier Verbindungslöcher in die Ränder der Tonform gebohrt werden. Mittels Schnüren werden die Masken dann auf die Kopfform gebunden.
Die nachbearbeiteten Tonformen werden nun gebrannt.
3. Das Körpergerüst
Für das Körpergerüst wählen die SuS aus ihrer Gruppe eine/n SuS, den/die sie nachbauen wollen, und vermessen sie nach der Breite ihrer Hüfte, ihrer Schultern, der Länge ihrer Beine und Arme, so wie ihrer Gesamtgröße.
Ein stabiler Holzsteg wird in der Höhe der/s SuS (plus einer Sockelhöhe von ca. 5 cm) zugesägt. Löcher kommen auf die Höhe der Hüfte und der Schulter. Außerdem wird ein Loch kurz vor dem Boden in die Stange gebohrt, in welchem zusammen mit dem Hauptstab eine stabilisierende Quere im Beton versenkt wird.
Die Abmessungen stellten sich im Lauf unseres Projekts als schwer fehlerbehaftet heraus, es ist also anzuraten, nochmal alle Messungen zu überprüfen, bevor gebohrt und gesägt wird.
Die Queren in den Breiten der Schulter und der Hüfte bekommen in beiden Enden Löcher, die die Schraubenverbindungen zu den Oberarmen ermöglichen sollen. Die Oberame und die Unterarme sind nur dann getrennt zu sägen, wenn die fertige Plastik angewinkelte Arme haben soll (wie die rechte Figur im oberen Bild). Darüber sollen sich die Gruppen im Vorhinein verständigen.
Das Körpervolumen wird durch Hasengitter geschaffen, als auch durch Kartonröhren, die als Abfall bei Plottdiensten und anderen Meterwarenanbietern gefunden werden können.
Um die menschliche Kurvatur zumindest anzudeuten, können mit Pappmache Ausbeulungen im Bereich der Schultern und des Dekolletés gemacht werden. Aussortierte Kleidung stellt den Rest der Illusion her. Hier ist zu beachten, dass durch den Längsstab ein “drittes Bein” entsteht, welches das Aufschneiden der Hose erfordert.
4. Abschluss
Abschließend werden Hände und Gesicht mit gut an den Mitschüler_Innen abgestimmter Farbe bemalt und am Körper befestigt. In “Haar-Shops” gibt es Kunsthaare ab 6,50 €, wobei es eventuell Sinn macht, hier mit ästhetischeren Materialien zu arbeiten.
Im Zuge vielfältiger Fehler beim Zusägen und anderen Unglücken entschied sich eine Gruppe aus dem Wettbewerb auszusteigen, und ihre Plastik bewusst “creepy” zu gestalten.
Creepy waren die Plastiken natürlich auch so schon, und im Keller lagernd, hatten sie schon die eine oder andere vorbeikommende Person erschreckt.
Eine Unterrichtsplanung gibt es hier auch als pdf downloadbar > Menschelnde Großplastik
5. Reflexion
Im Nachhinein würde ich einige Entscheidungen anders treffen. Den SuS hatte das Projekt zwar gefallen, und teilweise war sogar Euphorie zu spüren, dann jedoch hatte es etwas zu lange gedauert, das zum Schluss die Luft vollends draussen war. Ein strukturierterer Unterrichtsstil ist hier von Vorteil. Ich setzte wohl auch ein wenig zu sehr auf eigenständiges Mit-Denken,- bei 13-Jährigen noch kein Ding der Selbstverständlichkeit. In einer Reflexionsrunde mit den SuS wurde mir auch vermittelt, dass sie die Wettbewerbssituation eher als negativ empfanden.
Auch einige technische Vorgänge sind in Zukunft anders zu denken. Die Köpfe als geodätische Kuppel macht bspw. wenig Sinn,- es ist deutlich schwieriger, die richtige Größe und Form zu treffen, als mit der dafür wohl üblicheren Methode, einen Ballon mit Pappmache zu bekleben.
Deutlich mehr Fokus müsste auch auf Oberflächengestaltung des Körpers gelegt werden. Um das zeitlich leisten zu können, bräuchte es eine klarere Strukturierung der Arbeitsabläufe der Zuständigkeiten. Innerhalb einer Gruppe muss es Untergruppen geben, die sich jeweils mit den Teilaufgaben auseinandersetzen, wie Körpergerüst, Gesichtsmaske und Handabgüssen.
Eventuell wäre es auch sinnvoll, die Kleidung erst zum Schluss zu besorgen, wenn nicht gar, diesen Aspekt der Textilen Werkgruppe zur Bearbeitung anzubieten. Dies auch zu dem Zweck, dass dann der dynamischen Körperhaltung wohl mehr Aufmerksamkeit gewidmet würde.
Ein offensichtlicher Motivationsfaktor waren für die SuS die Abgüsse der Hände. Diese doch eindrucksvoll präzisen Abformungen verliehen dem ganzen Projekt immer wieder Aufschwung. Gerade deshalb sollte gleich zu Anfang erwähnt werden, dass die Abgüsse der Gesichter nicht mit der gleichen Detailtreue zu erwarten sind.
Auch die Herangehensweise mit einem dritten Bein ist nicht ideal, natürlich bleibt Stange und Sockel immer als technisch ungelöster Rest einer “freistehenden Plastik” bestehen.
Das ganze Projekt ist gerade auch wegen seiner Größe in theoretischen und praktischen Unterricht teilbar. Theoretischer Input kann jeweils dann passieren, wenn eben fertig gestellte Güsse oder diverse Teile aus Pappmache trocknen müssen.