Figurative Malerei/ Theoretischer Teil

 
 

Semesterthema Figurative Malerei

Der Schwerpunkt auf figurative Malerei erlaubt, eine Vielzahl an Themen implizit mit zu behandeln, aber doch einen einzigen dramaturgischen Bogen zu ziehen, an dessen Anfang die lineare Zeichnung als Skizze steht, dessen Mitte in der kompositorischen Gestaltung des Bildraumes besteht, und dessen letzter Akt in der farblichen Ausgestaltung der linearen Komposition liegt. Der Eingang ins Bildwerk wird also statt über die Farbe, über die Zeichnung gefunden.

Theoretischer Teil

Die praktische Arbeit sowie die Recherchearbeit am eigenen Bild wird begleitet von einer Reihe von Referaten, die den Zwecken dienen…

a) diverse malerische Zugänge und Positionen innerhalb der figurativen Malerei kennenzulernen

b) ein Bild genau ansehen und analysieren zu lernen, und dabei Kompositionsprinzipien sehen und konstruieren lernen

Dazu habe ich ein Referatepool mit 40 Positionen erstellt, aus denen die SuS sich eine aussuchen. Zu jeder Position gibt es zwei Links,- der obere führt zu einem Text über, oder Interview mit dem Künstler/der Künstlerin,- der untere zu einer hochaufgelösten Version des Bildes. Haben die SuS einen eigenen Vorschlag für eine vorzustellende Position, kann darauf natürlich auch eingegangen werden.

Die Auseinandersetzung mit bildender Kunst bedarf einer eigenen Form, die für SuS oft nicht gewohnt ist- statt der Erzählung einer Biografie über den Künstler/die Künstlerin, liegt der Fokus ganz zentral auf dem Bild, der Bildfindung, dem Farbauftrag. Aufgrund dessen, dass dies für viele SuS ungewohnt ist, habe ich eine recht enge Struktur vorgegeben.

Bildanalyse- Kriterien

1. Daten zum Bild

1.1 Titel des Bildes
1.2 Name der/des Künstler(s)/in

1.3 Technik
1.4 Größe in cm
1.5 Jahr der Herstellung

2. Bildbeschreibung

Ausführliche und möglichst detaillierte Beschreibung der Bildoberfläche
2.1 Gibt es eine Ausrichtung (Zentralperspektive? Multiperspektive?)
2.2 Wie ist das Verhältnis von Abstraktion zu Realismus?
2.3 Wie dynamisch, statisch, ausgewogen ist die lineare Komposition? (Schrägen, Vertikale, Waagrechte)

2.4 Wie ist die farbliche Komposition konzipiert? (Farbkontraste aus Primärfarben, Komplementärfarben, Textur, Licht.)

2.5 Wie korreliert der Inhalt mit der Form? (konsistent oder fallen sie auseinander?)

3. Bildinterpretation

Interpretieren bzw. wiedergeben des inhaltlichen Hintergrunds eines Bildes

3.1 Interpretation der Frage: Was ist die Botschaft?

3.2 Vorstellung der eigenen Recherche Ergebnisse: Welche Referenzen gibt es?

3.3 Vorstellung der eigenen Recherche Ergebnisse: Wie ist es im historischen Rahmen einzuordnen?

4. (Aus dem Begleittext zu filtern) Wie findet der Künstler/ die Künstlerin zum Bild?


5. (Aus dem Begleittext zu filtern) Wie setzt sich der Künstler/ die Künstlerin mit Farbe auseinander?

6. Warum habe ich mir diese Position ausgesucht, und was lerne ich von diesem Bild bzw. der Künstlerin/dem Künstler?

Ich gebe außerdem ein Beispiel an die Hand, hier an Nicole Eisenmans “Reality Show” von 2022:

Die Referate werden über das Semester verteilt, so, dass sie zu zusätzlichen Galerie- und Museumsbesuchen die praktische Arbeit inspirierend stützen.

2. Praktischer Teil

Methodisch orientiere ich mich an der chronologischen Entwicklung der abendländischer Malerei seit Beginn der Neuzeit. Diese beginnt mit einem Fokus auf die Zeichnung: Bildwerke der Passion Christi als Übersetzung der Bibel für das einfache Volk mussten vor allem als Zeichnung funktionieren,- Farbe hatte bloß/hauptsächlich symbolischen Wert. Das Farbe einen Eigenwert bekommt, dazu kommt es erst durch die Konkurrenz zur Fotografie im 19. Jahrhundert.

Analog zu dieser geschichtlichen Entwicklung arbeiten etliche Künstler_Innen (Skizzenbuch als Vorlage für größere malerische Arbeiten). Es ist daher sinnvoll, auch so vorzugehen.

2.1 Die Zeichnung

Die SuS arbeiten sich zunächst am menschlichen Körper ab. Dazu machen wir viererlei:

  • Das Abzeichnen von fotografischen Abbildungen von Werken der Renaissance bis zum Jugendstil

  • Das Studieren des menschlichen Körpers an Originalen alter Meister_innen im kunsthistorischen Museum

  • Das Studieren des menschlichen Körpers am menschlichen Körper selbst. (Abwechselnd stellt sich ein SuS in die Mitte des Raumes, die anderen zeichnen diesen ab)

  • Das Studieren der Proportionen anhand von Zeichenlehrbüchern

Es geht darum, ein Schema zu durchbrechen, in welchem Körper bisher völlig symmetrisch, frontal, stehend und mit herabfallenden Armen gezeichnet wurden. Dazu ist zu sagen, dass es nicht falsch ist, eine menschliche Figur so zu zeichnen. Die schulische Herausforderung besteht jedoch darin, die SuS mit weiteren darstellerischen Kompetenzen auszustatten, als nur mit dieser sehr basalen.

Es ist dabei nicht verkehrt, auf vermeintlich veraltete Klassiker des Kunstunterrichts zurückzugreifen, und eine aperspektivische Darstellung bspw. altägyptischer Reliefkunst, einem griechischen Kontrapost des Praxiteles gegenüberzustellen.

In der Folge geht es darum zu vermeiden, bei der zeichnerischen Darstellung eines Körpers wegen fehlender zeichnerische Kompetenz entmutigt den Stift aus der Hand zu legen.